Klausur2206
Aufgabe 1:
Beim Radiosender Deutschlandfunk gibt es vor den Nachrichten um 7:30 Uhr ein Interview. Je nachdem, wann das Interview endet, gibt es vor den Nachrichten noch etwas Musik, gefolgt von der acht Sekunden langen Erkennungsmelodie des Senders oder - bei besonders knappem Ende - nur einen Ausschnitt der Erkennungsmelodie:

Wir setzen voraus, dass die Zufallsgröße \( X\), die einem Interview die Zeit des Interviewendes nach 7:30 Uhr in Sekunden zuordnet, normalverteilt ist mit dem Erwartungswert \( \mu=-20\) und der Standardabweichung \( \sigma=6\).
- Berechne die Wahrscheinlichkeit dafür, dass an einem zufällig ausgewählten Tag die Erkennungsmelodie vor den Nachrichten komplett abgespielt wird und die Wahrscheinlichkeit dafür, dass an einem zufällig ausgewählten Tag das Interview zwischen 11 und 26 Sekunden vor Nachrichtenbeginn endet.
- Berechne den (größten) Zeitraum bis zu den Nachrichten, der von 79% der Interviews unberührt bleibt.
- Entscheide begründet, ob die Annahme, dass die Zufallsgröße \(X\) normalverteilt ist, plausibel ist.
- Hubert versichert, dass er bzgl. der Interviews hellseherische Fähigkeiten hat. In langjährigen Selbststudien habe er täglich um 7 Uhr vorhergesagt, ob nach dem Interview vor den Nachrichten noch Musik gespielt wird oder nicht. Wenn keine Musik gekommen sei, habe er das mit einer Trefferquote von 98% richtig vorhergesagt. Wenn Musik gekommen sei, habe er das immerhin in 90% der Fälle richtig vorhergesagt.
- Untersuche für einen zufällig gewählten Tag die Ereignisse A: Hubert liegt richtig und B: Es wird Musik vor den Nachrichten gespielt auf stochastische Unabhängigkeit.
- Gib eine Vorhersagestrategie an, die einen höheren Anteil richtiger Ergebnisse liefert als Hubert und weise diese Eigenschaft nach.
Lösungen:
- Die Erkennungsmelodie wird komplett gespielt, wenn das Interview spätestens 8 Sekunden vor 7:30 Uhr endet. Es ist \[ P(X\le -8)=NormCdf(-\infty,-8,-20,6)\approx 0,\!97725 . \]
Diese Wahrscheinlichkeit liegt also knapp unter 98%. Die zweite gesuchte Wahrscheinlichkeit ist
\[ P(-26\le X\le -11)=NormCdf(-26,-11,-20,6)\approx 0,\!774538 . \]Diese Wahrscheinlichkeit liegt nur etwas über 77%.
- 79% der Interviews sollen den zu bestimmenden Zeitraum unberührt lassen. Es ist demnach die größte reelle Zahl \(a\) gesucht, die \(P(X\le a)\le 0,\!79\) erfüllt. Man erhält \[ a=\Phi^{-1}_{-20,6}(0,\!79)=InvNorm(0,\!79,-20,6) \approx -15,\!16 . \]
- Die Normalverteilung ist symmetrisch zum Erwartungswert. Die Nachrichten selbst sind eine sehr harte Grenze, die nur in äußersten Ausnahmen durch ein Interview überschritten werden dürfte. Ein solche Grenze gibt es auf der anderen Seite des Erwartungswertes nicht. Generell scheint es eher plausibel, dass die Abweichungen links vom Erwartungswert breiter verteilt sind, da Interviews schon mal früher enden können als erwartet und dann halt ein längeres Stück Musik gespielt wird. Insofern ist es nicht plausibel, dass \(X\) normalverteilt ist.
- Das Ereignis R besagt, dass Hubert richtig liegt, Ereignis M bedeutet, dass Musik gespielt wird. Nach dem ersten Aufgabenteil ist \( \\ P(M)=P(X\lt -8)=0,\!97725. \)
Damit ist \(\\ P(R)=P(M)\cdot P(R|M)+P(\overline M)\cdot P(R|\overline M)\\ =0,\!97725\cdot 0,\!9+0,\!02275\cdot 0,\!98=0,\!9018.\\ \) Also liegt Huberts Trefferquote insgesamt knapp über 90%.
- Da \( P(R) \ne P(R|M)\) gilt, sind die Ereignisse R und M nicht stochastisch unabhängig. Allerdings sind die Werte fast gleich (90%) und insofern nahezu stochastisch unabhängig.
- Als Strategie kann man einfach immer auf Musik wetten. Dann hat man eine Trefferquote von \(P(X\lt -8)\). Die liegt über 97% (s.o.).
Aufgabe 2:
Für die Dichtefunktionen der Normalverteilung im folgenden Bild gilt jeweils \(\mu=0\) und für eine Dichtefunktion \(\sigma=1\) und für die andere \(\sigma=2\).

- Entscheide begründet, welcher Graph zu \(\sigma=1\) gehört.
- Erläutere die beiden Identitäten \[ \Phi_{0,1}^{-1}(0,\!4)\approx -0,\!25 \qquad \left (\textnormal{auf dem TR }invNorm(0.4,0,1)\approx -0,\!25\right ) \]
und
\[ \Phi_{0,2}^{-1}(0,\!4)\approx -0,\!50 \qquad \left (\textnormal{auf dem TR }invNorm(0.4,0,2)\approx -0,\!50\right ) \]durch Kennzeichnung (z.B. Schraffierung und Beschriftung) entsprechender Flächen. Damit du die Wahl hast, ob du beide Flächen in einem Bild oder in zwei Bildern kennzeichnen möchtest, gibt es das Bild noch ein zweites Mal:

- Von einer normalverteilten Zufallsgröße \(X\) sind \(\mu\) und \(\sigma\) unbekannt. Bekannt ist \[ P(X\le 1)=0,\!4 \quad\textnormal{und}\quad P(X\le 13)=0,\!6. \]
Berechne \(\mu\) und \(\sigma\).
- Von einer normalverteilten Zufallsgröße \(Y\) sind \(\mu\) und \(\sigma\) unbekannt. Bekannt ist \[ P(Y\le -2)=0,\!3 \quad\textnormal{und}\quad P(Y\le 1)=0,\!4. \]
Berechne \(\mu\) und \(\sigma\).
Lösungen:
- Bei kleinerer Standardabweichung konzentriert sich die Dichtefunktion mehr um den Erwartungswert. Dies ist bei dem höheren Funktionsgraphen der Fall, der also zu \(\sigma=1\) gehört.
- Es folgen die Bilder für zuerst \(\sigma=1\) und dann für \(\sigma=2\):


- 0,4 und 0,6 liegen symmetrisch um 0,5, was dem Flächeninhalt unter der Dichtefunktion von \(-\infty\) bis \(\mu\) entspricht. Da die Dichtefunktion symmetrisch zum Erwartungswert ist, sind die zu 0,4 und 0,6 gehörenden x-Werte symmetrisch um \(\mu\) angeordnet. Deshalb gilt \[ \mu=\frac{1+13}{2}=7. \]
Zur Bestimmung von \(\sigma\) verwenden wir die Gleichung \(P(X\le 1)=0,\!4 \) bzw.
\[ \Phi_{1,\sigma}(1)=0,\!4 \]Der Taschenrechner kann diese Gleichung mit
\[ nsolve(NormCdf(-\infty,1,7,s)=0.4,s,1) \]mit Startwert 1 numerisch lösen und liefert als Ergebnis \(\sigma\approx 23,\!68.\)
- Ich schreibe weiter \(\mu\) und \(\sigma\), meine aber nun den Erwartungswert und die Standardabweichung von \(Y\). Da die Symmetrie bzgl. \(\mu\) nun fehlt, wird zunächst \(\sigma\) daraus bestimmt, wie weit die Funktion gestreckt ist. Bei der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung gilt\[ \Phi^{-1}(0,\!3)\approx -0,\!5244\quad\textnormal{und}\quad\Phi^{-1}(0,\!4)\approx -0,\!2533. \]
mit der Differenz 0,2711. Bei der Zufallsgröße \(Y\) hat die entsprechende Differenz den Wert 3. Also ist die zu \(Y\) gehörende Dichtefunktion um den Faktor
\[ \sigma=\frac{3}{0,\!2711}=11,\!07 \]gestreckt. Wie man an \(\Phi^{-1}(0,\!4)\approx -0,\!2533\) ablesen kann, erreicht die Verteilungsfunktion der Normalverteilung den Wert 0,4 bei dem 0,2533-fachen der Standardabweichung links vom Erwartungswert. Umgekehrt lässt sich dadurch der Erwartungswert \(\mu\) der Zufallsgröße \(Y\) bestimmen:
\[ \mu = 1 + 0,2533 \cdot \sigma \approx 3,\!8. \]Durch eine Probe lässt sich bestätigen, dass die richtigen Werte gefunden sind:
\[ \Phi_{3,8;11,07}(-2)\approx 0,\!3 \quad \textnormal{und}\quad \Phi_{3,8;11,07}(1)\approx 0,\!4 \]